Am 20.04.2020 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz den Entwurf eines „Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ vorgelegt, dessen Kernstück das „Gesetz zur Sanktionierung verbandsbezogener Straftaten“ (VerSanG) ist; der Entwurf ist – in leicht modifizierter Form – am 16.06.2020 von der Bundesregierung beschlossen und in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden. Der Bundesrat hat dem Gesetzesentwurf am 18.09.2020 in weiten Teilen zugestimmt; angesichts dessen sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Entwurf auf einer Vereinbarung von CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag vom 12.03.2018 beruht, ist mit einer Verabschiedung des Gesetzes noch im Laufe der Legislaturperiode zu rechnen. Wir zeigen nachfolgend die maßgeblichen Änderungen der Rechtslage auf.

Das Gesetz zur Sanktionierung verbandsbezogener Straftaten ermöglicht erstmals die strafrechtliche Verfolgung und Sanktionierung von Verbänden, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist (insbesondere von juristischen Personen des Privatrechts wie Aktiengesellschaften (AG), Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) einschließlich der Unternehmergesellschaft (UG), Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA), eingetragenen Genossenschaften (eG) und Europäischen Gesellschaften (SE) sowie Stiftungen des bürgerlichen Rechts beziehungsweise rechtsfähigen Personengesellschaften wie der Kommanditgesellschaft (KG/GmbH & Co. KG) und der offenen Handelsgesellschaft (oHG)) für Straftaten, die eine Leitungsperson des Verbandes (insbesondere Vorstand/Geschäftsführer beziehungsweise vertretungsberechtige Gesellschafter von Personengesellschaften, Generalbevollmächtigte, im Einzelfall auch Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte sowie sonstige Personen, die für die Leitung des Betriebs oder des Unternehmens des Verbandes verantwortlich handelt, wozu auch die Überwachung der Geschäftsführung oder die sonstige Ausübung von Kontrollbefugnissen in leitender Stellung gehört) oder eine sonstige Person in Wahrnehmung der Angelegenheiten des Verbandes begangen hat und durch die Pflichten, die den Verband treffen, verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert worden ist oder bereichert werden sollte.

Eine weitere wesentliche Änderung der Rechtslage ergibt sich aus der Einführung einer Pflicht zur Verfolgung und Sanktionierung von Verbänden durch die Staatsanwaltschaft. Während nach derzeitiger Rechtslage die Einleitung eines (Ordnungswidrigkeiten-) Verfahrens gegen ein Unternehmen im pflichtgemäßen Ermessen der Staatsanwaltschaft steht, konstituiert das Gesetz zur Sanktionierung verbandsbezogener Straftaten nunmehr eine Pflicht der Staatsanwaltschaft, die Strafverfolgung einzuleiten und eine Sanktionierung des Verbandes durch ein Gericht herbeizuführen, wenn sie das Ermittlungsverfahren nicht wegen Geringfügigkeit oder gegen die Erfüllung von Auflagen und Weisungen einstellt.

Die Folgen:

Verbandsgeldsanktion und Verwarnung mit Verbandsanktionsgeldvorbehalt

Als Sanktionen für den Verband stehen die Verbandsgeldsanktion, die im Einzelfall bis zu 10 Prozent des weltweiten durchschnittlichen Jahresumsatzes aller Verbände, die mit dem vom Verfahren betroffenen Verband als wirtschaftliche Einheit operieren, betragen kann, oder eine Verwarnung mit Verbandssanktionsgeldvorbehalt zur Verfügung; daneben steht die Möglichkeit, Gewinne aus der Straftat bei dem Verband abzuschöpfen und – im Einzelfall – die öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung des Verbandes anzuordnen. Eine Verurteilung des Verbandes wird zusätzlich in dem vom Bundesamt für Justiz neu eingerichteten Verbandssanktionenregister eingetragen.

Berücksichtigung von Compliance-Management-Systemen

Bei der konkreten Bemessung der Verbandsgeldsanktion sind vom Verband getroffene Vorkehrungen zur Vermeidung von Straftaten, das Bemühen des Verbandes, die Tat aufzudecken und den Schaden wiedergutzumachen, sowie etwaige nach der Tat getroffene Vorkehrungen zur Vermeidung und Aufdeckung von Straftaten strafmildernd zu berücksichtigen. Ein wirksames, unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse des Verbandes konzipiertes und implementiertes Compliance-Management-System wird von der Rechtsprechung seit Jahren als Strafmilderungsgrund anerkannt; diese Auffassung greift der Entwurf auf und kodifiziert sie. Welche Compliance-Maßnahmen im Einzelfall erforderlich sind, hängt von Art, Größe und Organisation, Gefährlichkeit des Unternehmensgegenstandes, Anzahl der Mitarbeiter, den zu beachtenden Vorschriften sowie dem Risiko ihrer Verletzung ab.

Strafmilderung durch verbandsinterne Untersuchungen und Kooperation

Wenn der Verband durch verbandsinterne Untersuchungen, die der Verband selbst oder in seinem Auftrag ein Dritter durchführen kann, wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat und die Verantwortlichkeit für die Tat aufgeklärt werden konnte, der Verband oder der in seinem Auftrag handelnde Dritte, der nicht Verteidiger des Verbandes oder einer der Tat beschuldigten Person sein darf, ununterbrochen und uneingeschränkt mit den Strafverfolgungsbehörden zusammengearbeitet und das Ergebnis der Untersuchung einschließlich aller für die Untersuchung wesentlichen Dokumente, auf denen das Ergebnis beruht, sowie der Abschlussbericht den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stellt, soll das Gericht die Verbandssanktion mildern, wenn die verbandsinternen Untersuchungen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen erfolgt sind, insbesondere, was die Befragungen von Mitarbeiten angeht; die Verbände trifft hierzu eine umfassende Dokumentationspflicht. Ausgeschlossen ist eine Strafmilderung, wenn die Offenbarung der Verbandstat erst nach der Erhebung einer Anklage und der Eröffnung des Hauptverfahrens durch das Gericht erfolgt. Mildert das Gericht die Verbandssanktion auf Grund der Kooperation des Verbandes, verringert sich das Höchstmaß der Verbandsgeldsanktion auf die Hälfte. Zeigt der Verband der Staatsanwaltschaft an, verbandsinterne Untersuchungen durchzuführen, so kann die Staatsanwaltschaft dem Verband eine Frist zur Vorlage des Abschlussberichts setzen und bis dahin von der Verfolgung des Verbandes absehen.

Fazit

Strafverfahren wegen einer Tat, durch die Pflichten, die ein Unternehmen treffen, verletzt werden oder durch die das Unternehmen bereichert worden ist beziehungsweise bereichert werden sollte, werden sich zukünftig nicht nur gegen die im Einzelfall verantwortlichen Personen, sondern auch das Unternehmen richten. Dem Unternehmen drohen im Strafverfahren erhebliche Folgen, einerseits in wirtschaftlicher Hinsicht, andererseits im Hinblick auf die durch die öffentliche Bekanntmachung sowie die Eintragung einer Verurteilung im Verbandssanktionenregister eintretenden Folgen für das öffentliche Ansehen des Unternehmens. Die Unternehmensleitung ist in der Pflicht, durch die Konzeption und Implementierung eines individuell auf die Belange des Unternehmens zugeschnittenen Compliance-Management-Systems und nachfolgend die Überwachung der Einhaltung aller unternehmensinternen Vorschriften dafür Sorge zu tragen, dass Straftaten in weitestmöglichem Umfang verhindert werden können.

Welche Maßnahmen dafür in Betracht kommen, bezeichnet der Gesetzesentwurf nicht; dies dürften insbesondere eine fortlaufende unternehmensspezifische Prüfung des strafrechtlichen Risikos, die Entwicklung von klaren und praktischen Richtlinien für die Mitarbeiter des Unternehmens, die effektive Einführung der Richtlinien, die Verpflichtung der Mitarbeiter zur Beachtung der Richtlinien durch das Management im Sinne eines ständigen tone-from-the-top, die Schaffung von Strukturen und Verantwortlichkeiten für die Einhaltung der Richtlinien einschließlich regelmäßiger Schulungen der Mitarbeiter und die Einrichtung eines Hinweisgebersystems (sogenanntes Whistleblowing) für (angebliche) Verstöße sowie eine sorgfältige Dokumentation aller Prozesse sein.

Kommt es dennoch zu Straftaten, ist es die Aufgabe der Unternehmensleitung, die Taten aufzuklären und Vorkehrungen dafür zu treffen, dass sich derartige Taten nicht wiederholen können.

Wir beraten die Unternehmensleitung im Vorfeld bei der Analyse des Risikos und der Konzeption eines Compliance-Management-Systems und unterstützen sie nachfolgend bei der Implementierung und Überwachung, schulen die Mitarbeiter des Unternehmens und sind als externer Vertrauensanwalt im Rahmen eines Hinweisgebersystems Ansprechpartner für Mitarbeiter, aber auch Dritte, die Straftaten melden wollen. Darüber hinaus stehen wir im Einzelfall auch für verbandsinterne Untersuchungen, insbesondere im Zusammenhang mit Mitarbeiterbefragungen, zur Verfügung. Erfahren Sie mehr zu unserem Beratungsangebot unter der Rubrik ???